Zu 1.: Hast Du/habt Ihr die Trinity-Studie/Bengen-Studie gelesen und verstanden worauf sich die 4% beziehen? Warum solltest Du (wenn Du der Studie Glauben schenkst) mehr entnehmen, weil der Depotwert gestiegen ist? Das sagt die Studie doch gar nicht aus. Es geht in der Studie immer um die initialen Prozente, die entnommen werden, also bei einem Vermögen von 1 Mio. USD und einer WR von 4% werden jährlich 40k USD entnommen. Jedes Jahr. Unabhängig vom Depotstand. Zusätzlich wird dann noch eine Inflationsanpassung berücksichtigt, d.h. bei angenommenen 1% Inflation wird im ersten Jahr 40.000 USD entnommen und im zweiten Jahr 40.400 USD, dann 40.804 USD usw. usf.
Zu 2.: Falls Du richtig gerechnet hast, ja. Dann gehen einige Jahrgänge pleite. Die Rechnung von LennStar ist übrigens so nicht korrekt (und sogar gefährlich!). Eine durchschnittliche Rendite hilft da wenig. Bei regelmäßigen Entnahmen werden in schlechten Jahren mehr Anteile verkauft und in guten Börsenjahren wenige - man hat einen umgekehrten Effekt wie beim regelmäßigen Sparen (Stichwort: Sequence of Return Risk (SOR)).
Den gleichen Fehler hat übrigens auch schon ein gewisser Peter Lynch begangen - mein Link weiter unten beleuchtet seinen Denkfehler übringens auch.
Zu 3.: Was ist Dein Vergleich? 100% Aktien vergleichst Du mit gemischten Depots, also z.B. 90% Aktien und 10% Anleihen? Sinn und Zweck des Rebalancing ist eine Regulierung des Risikoprofils. Das hat nichts mit Steigerung der Rendite zu tun. (Es mag positive Effekte geben, wenn regelmäßig rebalanced wird, weil dadurch "teuer" Anlageklassen mit Gewinn verkauft werden bzw. "billige" Anlageklassen günstig nachgekauft werden, die langfristige Rendite bestimmt sich aber über die Renditen der Anlageklassen und Aktien sind (zumindest seit einigen Jahren) extrem renditeträchtig ggü. Anleihen.)
Zu 4.: Ja, es gibt Studien und ich würde mal etwas tiefer einsteigen, bevor ich mich auf so ein Abenteuer mit gefährlichem Halbwissen einlassen würde.
Hier gibt es einen schönen Startpunkt:
http://theretirementcafe.blogspot.de/2015/09/the-fascinating-to-me-at-least-history.htmlBengen-Studie, Trinity-Studie, Wade Pfau's Kommentare dazu, Hinweise zu der Niedrigzinsphase in der wir uns befinden und welche Auswirkungen sie auf die zukünftigen SWR sie haben könnten usw. usf.
Darüber hinaus würde ich noch die Unterschiede im deutschen Steuerrecht bezüglich Aktiengewinnen (ASt) beachten und mich mit dem SOR-Risk (s.o.) beschäftigen. Die Seite, auf die ich verlinke, bietet da auch eine schöne Themenreihe zu an.
Gruß
Woody
PS: Die Trinity-Studie 2 aus den 2000ern ist nicht verlinkt, aber die findet man auch so im Netz.
PS2: In den lokalen Foren wird Wade Pfau teilweise als zu kritisch eingestuft. Ich halte seine Anmerkungen zu gesunkenen SWRs für realistisch. Früher(TM) waren die Anleihen teilweise deutlich rentabler (auch auf den realen Wert bezogen) und haben einem gemischten Depot tatsächlich positive Gewinne eingebracht. Seit 15 Jahren geht es mehr oder weniger nur noch bergab mit den Zinsen - das kann also nicht so funktionieren wie bisher.